In unserer Reihe “Butzbach, Deine Stadtteile!” widmen wir uns heute dem südlichen Butzbacher Stadtteil Nieder-Weisel.
Unsere Reise durch die Butzbacher Stadtteile beginnt heute im mit rund 3.400 Einwohnern größten Stadtteil Butzbachs. Nieder-Weisel liegt unmittelbar südlich der Butzbacher Kernstadt. Mit seiner ersten urkundlichen Erwähnung im Jahr 772 ist Nieder-Weisel sogar um ein Jahr älter als Butzbach selbst. Als „Wizele“ taucht es im Lorscher Kodex auf. Der Ort selbst ist sicher noch wesentlicher älter.
Im 15 Jahrhundert war Nieder-Weisel wohl wie viele Dörfer von Graben und Schutzhecke umgeben. Schon zu dieser Zeit wurde das Ortsbild von zwei bedeutenden Kirchen geprägt: Die alte Dorfkirche geht bis ins 12. Jahrhundert zurück – der Turm stammt noch aus dieser Zeit – später wurde die Kirche mehrfach umgebaut und erhielt ihre heutige Form im 17. Jahrhundert.
Das zweite bedeutende Denkmal ist die Komturkirche, die im 12. und 13. Jahrhundert gebaut wurde. Sie geht auf den Johanniterorden zurück. Im Obergeschoss befand sich ein Hospiz für Kranke und Pilger – der Hauptraum wurde für Gottesdienste genutzt. In Nieder-Weisel gründete sich eine Niederlassung der Johanniter – auch Kommende oder Komturei genannt – daher der Name „Komturkirche“. Die Kommende erhielt durch Schenkungen der Landesherren großen Landbesitz, der an die Bauern der Umgebung günstig verpachtet wurde. Nach der Auflösung der Kommende durch Napoleon 1809 verarmte die Landbevölkerung – Mitte des 19. Jahrhunderts wanderten viele Familien nach Amerika oder Australien aus, um dort ihr Glück zu finden. Nieder-Weisel verlor rund 1000 Einwohner.
Heute stellt die Komturkirche die einzige erhaltene Kirche des Johanniterordens dar. Hier treffen sich die Ordensritter und hier findet auch der traditionelle Ritterschlag statt. Das Herrenhaus ist Sitz der Geschäftsstelle des Landesverbandes Hessen, Rheinland-Pfalz und Saar der Johanniter-Unfall-Hilfe e.V.
Zu Nieder-Weisel gehört auch die Waldsiedlung, die einige Kilometer von Nieder-Weisel entfernt ist und heute unmittelbar an die Butzbacher Kernstadt angrenzt – nach dem 2. Weltkrieg wurde sie als Siedlungsgebiet für Heimatvertriebene erbaut.
Nieder-Weisel wurde im Zuge der Gebietsreform 1970 nach Butzbach eingemeindet. Der Ort ist mehrheitlich evangelisch geprägt. Es gibt eine bunte Vereinslandschaft, die neben Sportvereinen auch Musik- und Chorangebote umfasst.
Im Volksmund wird Nieder-Weisel scherzhaft auch „Kähloff“ genannt – die Herkunft des Namens ist nicht bekannt – vielleicht ist es an das hebräische Wort „käläb“ angelehnt und verweist darauf, dass jüdische Viehhändler in Nieder-Weisel ansässig waren. Populärer ist die Deutung, dass die Nieder-Weiseler einfach immer am Reden seien – und daher immer „die Kehle offen“ hätten. Ob das stimmt? Ma waas es net, me munkelt noch.